lass dich nicht töten von den worten

lass dich nicht töten von den worten
die du nie gesprochen hast

lass dich nicht verzweifeln an der zärtlichkeit
die doch nie deine war

frag nicht, was du willst an diesen orten
und was du kriegen kannst am see allein

dein herz sei dir heilig
deine seele bleibe zart

dein antlitz weit
unnahbar fast

im dunkeln der berliner nacht
suchen meine lippen dich
und verlieren sich im unsichtbaren raum

Sommerhaut

würzig
leichte luft
etwas fehlt

auf frischem gras
in der sonne des südens ostens
täuscht der geist

wo ich kam
fehlt etwas

10.000 kilometer

bin gern
wo ich kam

Etwas fehlt im Sommer, der die Haut so würzig macht und bitter scharf

dein kuss

Die Narben bleiben

Niemanden interessiert, wer da kommt
Niemanden interessiert, wer das ist
Niemanden interessiert, wenn er fort ist

Verliert sich in fremden Ländern
Verliert sich im eigenen Land
Verliert die Freunde
Verliert, weil er kämpft

Wird fremd
Die Länder werden
fremd
Die Sprache
fremd
Atem
fremd
Als er sich selbst fremd geworden war, fing er an zu weinen
unangebracht

Er ließ die Dinge zurück
dort, wo er herkam
hier, wo er ist
dort, wo er sein wird

Es war die Nacht in der 30 Drohnen über der Stadt kreisten

Schlaflos bist du
immer gewesen

Sahst die Blitze, spürtest das Beben des Horizonts
Die Stadt war hell erleuchtet

Gegen Morgen griffen die Schwalben die Drohnen an
Es war das Ende des Sommers, jedes Sommers

Wenn die Wörter geschrieben sind, bleiben die Narben

der tod weint

gehst durch straßen
mit menschen
weißt nicht wer
vergessen
nicht morgen
übermorgen schon

in einem jahr
geschichten austauschbar
vermischt in jahren
städte
straßen
menschen

zum essen
oh du liebst sie sehr
dein coolstes hemd

welche rolle spielst du heute
chamäleon in der zeit
der städte
der menschen
der stile

eine band spielt
warum ist der trompeter tonlos
fragst du nicht

durch die straßen schallt der lärm
ich komme, ich weiß nicht woher

deine ohren bleiben seltsam stumm
ich gehe, ich weiß nicht wohin

es kann sein, dass sie ein wenig müde werden
vielleicht werden ihre schmerzen auch erstmal stärker

betäubt durch die zeit
die du durchschreitest

ich bin, ich weiß nicht wer
für mich die nudeln mit pesto bitte

dein leben ist ein ganzes
du weißt es
den tod findest du nicht auf friedhöfen
in der trauer sind sie bei dir

Aschenacht

streckst die Arme aus
rufst

zeigst mir deine Brüste
lächelst

dein Mund
verstummt

das Licht ist anders in der Nacht
Geruch von Asche in der Luft

Ja, sage ich

Auf einer Eiche…

nachts, wenn das telefon klingelt und keiner mehr rangeht
nachts, wenn du dich anrufst, um zu hören, ob der anrufbeantworter angeht
wenn du angst hast, dass jemand fremdes an dein telefon geht
nachts, wenn plötzlich alles so klar ist
und da ist
und bei dir ist
nachts
weißt du alles
schlaflos
nachts

träume von feuer
träume von zügen
träume
warum diese träume

auf einer eiche
saß eine leiche
wie kommt die leiche
auf die eiche

der tod ist nah
nur noch nicht jetzt wieder einszweidreivierfünfsechs langsamerzählen fünf sechs sieben acht neun zehn elf zwölf
atmest wieder
was sind die letzten gedanken
brennende städte
züge voller gefangener
züge voller vertriebener
der gong der tagesschau
die immer enger werdende freiheit, die dir ein warmes bett war, die du einst erkämpfen musstest, die du nie voll gelebt hast – traust dich nicht
früher war es nicht besser
noch nicht

eins zwei drei
einer isst kartoffelbrei
vier fünf sechs
einen holt heut nacht die hex
sieben acht und neun und zehn
nicht lange mehr, dann musst du gehn

atmest wieder
eins zwei drei

vier fünf sechs

sieben acht neun

was siehst du, wenn du nicht mehr atmest
atmest wieder

sagtest
bevor du gingst
es sei nicht mehr
du willst nicht
sehen was da kommt
sagtest
bevor du gingst
es wird nicht mehr
du kannst nicht
ertragen was da kommt
sagtest
bevor du gingst
es geht nicht mehr
du wirst nicht
miterleben was da kommt

ein zwei drei
und du bist frei
frei bist du noch lange nicht
träumst immer noch ganz fürchterlich
vier fünf sechs
Hitlerjunge Quecks
frei wirst du nie wieder sein
grund dafür ists hitlerlein
sieben acht neun
versuchs mal und sag nein
nein sagst du noch lange nicht
weil dir das das rückgrat bricht

sagtest
als du gingst
nichts mehr
deine welt liegt in trümmern

immer

Das Ende jedes Sommers

Niemanden interessiert, wer da kommt
Niemanden interessiert, wer das ist
Niemanden interessiert, wenn er fort ist

Verliert sich in fremden Ländern
Verliert sich im eigenen Land
Verliert die Freunde
Verliert, weil er kämpft

Wird fremd

Die Länder werden
fremd

Die Sprache
fremd

Atem
fremd

Als er sich selbst fremd geworden war, fing er an zu weinen
unangebracht

Er ließ die Dinge zurück
dort, wo er herkam
hier, wo er ist
dort, wo er sein wird

Schlaflos bist du
immer gewesen

Sahst die Blitze
nicht
spürtest das Beben des Horizonts
nicht

Gegen Morgen griffen Schwalben die Drohnen an
Es war das Ende des Sommers, jedes Sommers

Wenn die Wörter geschrieben sind, bleiben die Narben

Sommerhaut

würzig die haut
leichte luft
etwas fehlt
auf frischem gras

in der sonne des südens ostens
täuscht der geist
wo ich kam
fehlt etwas

10.000 kilometer
bin gern da
wo ich kam

Etwas fehlt im Sommer, der die Haut so würzig macht und
bitter scharf
dein kuss

du fehlst

Schreibe Deinen Namen

Junge?
Ja, Großvater…
Ist alles in Ordnung?
Ich habe Angst.
Wovor?
Vor dir in mir und allem, von dem ich nicht weiß, dass ich es weiß.

Achte auf den Weg, Junge. Es gibt dort viele Abzweigungen. Den Tiergartentunnel, die Bernauer Straße. Sarajevo. Bis Gaza.
Kommst du mit mir, du kennst den Weg, warst schon in den Tunneln von Ost nach West, von Nord nach Süd, auf dem Weg zum Flugplatz, unter den Häusern der neuen Stadt, gebaut wie einst zu Babel und doch nur Hochhäuser auf den Wunden.

Überbaute Wunden! Lasst Luft ran, es eitert noch und puckert unter Asphalt, der Grind nur übergossen mit Spritzbeton, zugemauert mit neuen Steinen, rotem Klinker in den Fassaden. So heilt es nicht. Es pocht noch. Im Herbst, wenn die Blätter fallen von den Bäumen auf die Wege in die Köpfe Schlafende wecken längst Totgeglaubte – achte auf den Weg, Junge – Ruß an den Wänden des Reichstags. Na, wo der wohl herkommt? Weiß nicht längst vergessen schwarz und schmierig rutschfest ist hier gar nichts mehr wenn es endlich Winter wird in Berlin spät im März erst wenn doch eigentlich der Frühling den Asphalt brechen sollte die Sonne gibt den Krokussen Kraft ist alter Eiter ein guter Dünger für Frühlingsblumen?

Brandstifter. Brennt Beton erneut, wenn Nazis durch die Straßen ziehen. Alternativlos für Deutschland. Liberal klingt gut in Zeiten, in denen auch der letzte begriffen hat, dass man neue Etiketten braucht für den Schwindel der Behauptung. Klingt halt besser.

Oh! Jetzt schneit es noch später als der Frost die Herzen abgekühlt hat – Deutsche, friert deutsches Sperma ein, bevor es zu spät ist, tragt bei zum Erhalt des Volkskörpers, opfert euren Körper, ihr Mütter, damit nicht ausstirbt, was eigentlich egal ist: die Landessprache ist Deutsch an einem schönen sonnigen Tag an dem es sehr kalt wurde im Land das früher gern mal mit Menschenkörpern geheizt hat Seife aus deren Fett gemacht hat und fand man eine schöne Tätowierung taugt die Haut zum Lampenschirm. Oh, schaut mal Kinder, ist das gemütlich!

Schande denen, die drüber reden, die es aufarbeiten, Denkmäler errichten. Diskussion ist nicht erwünscht, erstickt den Diskurs, schafft jeder seine eigene Wahrheit in den Köpfen spukt sie noch was ich nicht will das nicht sein kann alternative Fakten für Deutschland wird es irgendwann Wahrheit.

Schnee fällt in die Köpfe, oben offen, verwässert die Gedanken, schockgefrostet die Gefühle.

Diskussion nicht mehr erwünscht, die Mehrheit sagt, was Sache ist.

Dichter stehen sie zusammen und warten auf die Suppe. Treten einander in die Waden – nein, es reicht nicht für alle – wieso eigentlich nicht.

Der Ostwind ist mit Regen durchsetzt, Eiskristalle fast waagerecht zwingen in die Horizontale. Schon früh am Abend wird es dunkel. Heizen ist keine Lösung. Ist der Verbrauch von russischem Gas bereits eine Meinungsäußerung oder schon einen Schritt weiter?

Ja, Opa, ich weiß, es kann schlimmer werden. Ihr habt dafür gesorgt, dass ich Angst habe, wissend und doch ahnungslos, was zu tun ist, waren doch bei euch immer die Juden schuld. Es wird schlimmer werden, aber das ist wohl normal, niemand ist darauf vorbereitet, dabei wissen alle, wir leben im Ausnahmezustand, erst wenn gestorben wird, erst wenn gemordet wird, erst wenn unterdrückt wird, ist der Normalzustand wieder hergestellt.

Ist der Normalzustand wirklich alternativlos. Sprechen wir Deutsch. Jeder weiß es, nur das Bewusstsein kommt mal wieder nicht nach. Schafft sie ab, die Diskussion, Deutsche Frauen haben Sex auf Deutsch! Missionarsstellung! Nur dann kommen deutsche Kinder. Biodeutsche – ein Scheißwort.

Den Steinen ist der Ruß egal. Ruhe findest du nicht in der Wüste, in der du geblendet atmest, findest du nicht auf See, das Wasser ist nie still. Dich treibt der Wind. Erst in der Leere wirst du die Schuld erkennen. Und hüte dich, dass du nicht weggespült wirst.

Was machst Du?
Ich schreibe.
Was, Junge?
Ich schreibe Worte, Sätze. Ich denke.
Kannst du davon leben?
Die Worte sind auch so da. Ich bin nicht wichtig. Sie kennen mich nicht. Sie nehmen mich nicht wahr. Ich schreibe sie auf und vergesse sie anschließend. Manchmal lese ich sie vor.
Kannst du davon leben, Junge?
Es geht. Ich schreibe viel.
Junge, damit kommst du nicht weit.
Doch, ich bin bald weit weg.
Gehst du allein, Junge.
Nein. Ich habe eine Frau. Ich gehe mit ihr.
Was sind 5 Jahre gegen dein Alter.
5 Jahre gehen vorbei.
Alles wird anders sein.
Anders wird es erst, wenn ich euch nicht mehr treffe.
Das macht nichts.
Die Steine bleiben.
Solange kein Wasser sie schleift. Ständige Friedenskacke, klappt nicht, wenn’s ernst wird. Geht keiner hin. Auch so’n Quatsch. Und die Selbstbestimmung des einzelnen. Horizonteinschränkung durch Friedenspädagogik. Danke für den Hinweis. Ich war 19, als ich daran geglaubt habe. Die meisten Soldaten, die im Krieg sterben, sind wohl 20. Auch das die immer gleiche Scheiße von Befehl und Gehorsam, Leben und Tod. Was soll’s, wenn wir uns doch stets wiedersehen. Wenn doch der Beton die Saat nicht halten kann und Eiter durch die Straßen strömt hinaus ins Land und begräbt.

Schmerzhafter Schreibprozess.
Stummer Schrei.
Papier gegen Stein.
Das Kind schreit gegen das Gesicht des Alten. Und das ist schon lang nicht mehr das Gesicht des Bösen.
Rebellion gegen die Langeweile.
Was passiert eigentlich, wenn jeder glaubt, was er will, und nichts mehr stimmt? Ihr immer mit euren Fakten.
Mit dem Gesicht des Alten schreit das Kind gegen Papier und Steine. Schere, Stein, Papier. Sticht.
Aua!

Ey, hast du mal ein bisschen Kleingeld für mich? Ich bin schon die ganze Straße rauf und runter. Nichts hat geklappt. Ich weiß jetzt echt nicht weiter. Nur ein paar Cents, das wär echt nett. Ich wohn da im Park mit meinem Freund. Sonst verkaufen wir immer die Zeitung zusammen mit meinem Freund. Aber heute klappt echt nichts.

Es riecht nach verbranntem Fleisch.
Ich streue Asche auf den frischen Schnee.
Ich male Gesichter in den schwarzen Schnee.
Wenn der Schnee taut, schreibe ich Namen in den nassen Staub, der von ihnen übrig geblieben ist.
Nur deinen Namen schreibe ich nie wieder.
Sind das deine Freunde, Junge.
Und wenn schon.

*Kurze Anmerkung: Den Text hatte ich vergessen und war überascht. Er ist von 2018.