Mädchen im roten Mantel

in der stadt
in der es immer regnet
steht am grab ihrer familie
die sie nie gehabt hat
das mädchen im roten mantel

und als der regen ihre haut erreicht
und als sie die schulter hängenläßt
und der regen läuft ihre wangen herunter
vereint sich zu großen tropfen
mit dem salz ihrer tränen
weint sie ein ganzes meer

und darin leben fische und pflanzen
leben von ihrer trauer
nein, sie darf nicht gehen
zuviel leben hängt an ihren tränen
am grab der familie, die sie nie gehabt hat

Von der Sowjetunion lernen heisst Schlangestehen!

Nur, weil man neuerdings ein bisschen warten muss, bevor man irgendwo reinkommt, leben wir noch lange nicht in einer Diktatur.

Auszug aus dem Feature zum 60ten Geburtstag von Vladimir Sorokin. Hier die ganze Sendung:
https://nachmoskau.de/prophet-des-untergangs-feature-uber-vladimir-sorokin/?preview_id=2497&preview_nonce=340b7a30bc&preview=true&_thumbnail_id=2509
Text:
“Die Schlange”, Haffmans Verlag Zürich 1990.
Dank an Tilmar Kuhn und Ilka Teichmüller.

Deutsche Dialoge 16 – Mittagssuppe

– Ich möchte gern die Kürbissuppe.
– Ich glaube, es ist Karotte-Ingwer

Aha. Auch interessant. Dann ist das Karotte-Ingwer mit Kürbis.
– Nein. Ich glaube, es ist Karotte-Ingwer ohne Kürbis.
Oh. Könnte ich ja auch mal ausprobieren. Aber nicht ohne Kürbis.
– Wie sie möchten.
– Es ist echt schwer mit ihnen. Ich nehm’ erst mal ‘n Kaffee.
– Welchen?
– Hier so ’n Flat White. Und dann… Ach jetzt nehm’ ich wieder was mit Kalorien. Ich glaub, ich nehm’ hier so ‘n
Erdbeere– Rhabarber Kuchen.
– Dann sind das 4 Euro 80.

Danke! Gedanken zum Tag der Befreiung von der Naziherrschaft

Gerade ist zufällig ein Autokorso in Berlin Treptow an mir vorbei gefahren. Hier nur ein paar schnelle Eindrücke und Gedanken zum Tag der Befreiung von der Naziherrschaft.

Ich ertrage es nicht, dass auf den Gräbern der Soldaten, die Berlin von den Nazis befreit haben, Propaganda gemacht wird.

Ich ertrage es nicht, dass die Kremlpropaganda es geschafft hat, Trauer und Dankbarkeit so zu besetzen, dass für Demokraten kein Platz mehr ist.

Ich ertrage es nicht, dass die russische Regierung das Leiden der Völker der Sowjetunion unter dem Zweiten Weltkrieg monopolisiert.

Ich ertrage es nicht, dass ausgerechnet die sich als Befreier Europas vom Faschismus feiern, die Gesetze gegen Homosexuelle beschlossen haben, die Bürgerwehren fördern, die Bevölkerung gegen Andersdenkende und Kritiker aufhetzen, die Kritiker “Volksverräter” nennen, für Demokraten und Liberale nur Verachtung übrig haben.

Ich ertrage es nicht, dass die gleichgeschalteten Propagandamedien im In- und Ausland wahrheitswidrig verbreiten, Russland sei von Feinden umzingelt, die nur eins im Sinn hätten, Chaos und Armut nach Russland zu bringen und das Land zu besiegen.

Ich ertrage es nicht, dass diese Regierung von einem Krieg der Kulturen redet und auch so handelt.

Auf der Seite steht “KGB Streife”

Ich ertrage es nicht, dass Stalin bei der Gelegenheit als “Starker Führer” rehabilitiert wird und seine Verbrechen ignoriert werden.

Auszug aus Russian Angst:
“Der Krieg ist erst zu Ende, wenn der letzte Tote bestattet ist. Ich bin nicht derjenige, der diesen Krieg beenden kann. Immer wieder ist er auf der Überholspur in der jährlichen Woche der Siege. Dieser Krieg geht nie zu Ende.“

Einst war das schwarz-orange gestreifte Georgsband eine Auszeichnung für besondere Tapferkeit. Für mich stand es auch für die Befreiung Deutschlands vom Faschismus. Das ist vorbei. Seit 2014 steht das Symbol für den Krieg in der Ukraine und die Unterdrückung Schwächerer. Viele, die es tragen, sind offen antidemokratisch oder ignorant. Wäre es nicht Zeit, das Georgsband zum verfassungsfeindlichen Symbol zu erklären?

Und ist es nicht an der Zeit, die Sender, die offen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung hetzen, wegen Volksverhetzung anzuklagen?

Lesung und Hörspiel

8. März, Moskau, Internationaler Frauentag.
Ich war in sechs Blumenläden:
“Rosy nado?”
“Njet. Gwosdika jest?”
“Njet, Tulpani.”

Am Ende brachte ich meiner Russischlehrerin zum Frauentag statt einer roten Nelke rote Tulpen. Was das über die Situation der Frauen in Russland sagt, ob das überhaupt zusammenhängt, das überlasse ich jedem selbst (siehe Foto unten).
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Bilitis in T‘bilisi – Kaukasische Assoziationen, posthum David Hamilton gewidmet. Von Martin Reiner

Tirpitz in Tiflis? Bakunin in Batumi?
Trump war hier, aber nicht die Tiger-Panzer,
ein Tower steht hier zum Beweis. Il Papa sprach
vor leeren Reihen. Ilja heißt der Spielverderber,
Always ultra-orthodox.

Das Goldene Vlies ist lang schon weg, für manche
war’s erst gestern. Die Erinnerung ist einfach
zu groß. Jason schaut traurig zum Meer,
vor sich ein Pferderest. Beton:
Es kommt drauf an, was man draus macht.

In Graf Draculadzes Spukhotel tanzen die Vampire
um den Rattansessel von Emanuelle.
Marmor, Marmor, Marmor, Orgientaugliche Badewannen.
Das Spiegelbild verdampft, Putz blättert von den Wänden,
Lüften wär nicht schlecht in den Subtropen.

Ich denke oft an Piroschmani. Er grüßt mich überall, schaut,
geronnen zum Klischee, aus jedem Schaufenster. Auch
Josef sieht man viel, sein Schnauzbart schmückt die Auslagen.
Sakhartvelo träumt weiter den georgischen Traum.
Neandertalerselfies schmücken die Fassaden.

Wer hat’s erfunden? Den Wein? Das Käsebrot?
Das beste Schaschlik der Welt? Wo war der Garten Eden?
Frag nach in Georgien. Wo Männer noch Männer sind.
Und Salome ihren Opfern hilft. Der Blick von außen ist gemein.
Zwischen Heydar Alijew und George Bush fließt das Wasser gen Osten.

Die georgische Macht wirft Würste auf Veganer. Leider
meinen sie es ernst. Ein Kopftuch weggerissen, ‘ne Scheibe
eingeschmissen, Ihr solltet Euch verpissen, man wird Euch
nicht vermissen. Im Kiwi feiern die Gepiercten ihren Traum
von Europa.

Saakashvili, Schewardnadse,
Dshugashvili, Abaschidse
Ivanishvili, Kobiashvili, Kwirikashvili, Margwelashvili
Tamar hieß die Königin
Ischwill Ischwill da wieder hin.