Wenn der Krieg


Wenn der Krieg vorüber ist
gibt es kein fröhliches Lachen

Wenn der Krieg vorüber ist
ist nur den Zuschauern zum Feiern

Liebe Fernsehzuschauer, pflegt ruhig die Wunden auf eurer Seele.
Aber Achtung: Diese Darsteller sind echt. Es ist unwahrscheinlich, dass es gut ausgeht.
Vielleicht sollten wir für zarte Gemüter in Zukunft einen kleinen Warnhinweis einblenden: Achtung, die Realität enthält Momente, die labile und zartfühlende Personen verstören könnten oder zu Handlungen anregen könnten, die körperliche und seelische Schäden hervorrufen. Sollten Sie zu diesem Personenkreis gehören oder feststellen, dass Sie zu diesem Personenkreis gehören könnten, dann empfehlen wir Ihnen dringend, jeden Kontakt mit der Realität in Zukunft zu meiden.

Als der Krieg vorüber war
feierten sie im sowjetischen Film

Achtung, liebe Fernsehzuschauer, das tun sie dort heute noch. Das ist Propaganda. Es ist nicht sicher, dass außerhalb von Filmaufnahmen ausgelassen gefeiert wurde.

Wenn der Krieg vorüber ist
beginnen die Seelen zu bluten
neigen die Rosen, die nicht verbrannt sind, ihre Köpfe

Wenn der Krieg vorüber ist
verhallt der Kanonendonner
und das Land bleibt still denn

Wenn der Krieg vorüber ist
ist das Land vom Blut getränkt
verseucht mit dem, was nicht explodiert ist

Wenn der Krieg vorüber ist
ist Zeit für Tränen
die Trauer währet lang

Wenn der Krieg vorüber ist
trocknen die Tränen nicht
schließen sich nicht die Narben

Wenn der Krieg vorüber ist
wandern die Menschen

Wenn der Krieg vorüber ist
wandern Bomben im Boden

Wenn der Krieg vorüber ist
wandern die Knochen derer die liegen in der Erde
Die Erde schwitzt die Toten aus

Wenn der Krieg vorüber ist
streifen ihre Seelen
über die Felder
durch die Straßen
durch die Ruinen
in den Köpfen der Überlebenden

Wenn der Krieg vorüber ist
wächst der Hass wie einst die Sonnenblumen auf den Feldern gut gedüngt
wieviel Tote braucht man, um ein Land zum Blühen zu bringen?

Wenn der Krieg vorüber ist
vergeht die Zeit
wie Zeit halt immer vergeht
Und so kommt die Zeit
sich keine Gedanken mehr zu machen über das Vorher und das Währenddessen
es kommt die Zeit
wieder Geschäfte zu machen mit denen, die schuldig sind.
Es kommt die Zeit zu sagen: War doch nicht so schlimm.
Es kommt die Zeit zu sagen: Wir brauchen diese Leute wieder.
Es kommt die Zeit zu sagen: Nun ist aber auch mal gut. Genug ist genug.
Und Gras ist über die Schlachtfelder gewachsen, Sträucher erobern die Häuser derer, die nicht mehr sind
die Häuser derer, die nicht zurückkommen

Dann kommt die Zeit, zu sagen: Ich bin unschuldig. Was konnte ich schon tun. Das waren die da oben, wir kleinen Leute können ja nichts verändern.
es kommt die Zeit, zu sagen: Lass uns zusammensetzen und Wodka trinken

Wenn der Krieg vorüber ist
ist die Zeit zwischen den Kriegen
20 Jahre, 5 Jahre, 50 Jahre, 70 Jahre

Irgendwann kommt die Zeit, in der Ihr das Wodkatrinken, das Verzeihen, das Wegwischen, das Weitermachen verflucht. Aber das ist lang hin. Wenn Ihr Glück habt.

Nein, der Krieg ist nicht vorüber
Denn es kommt die Zeit
in der schwarzer Eiter die Seelen flutet
in der das Gift die Straßen überschwemmt, die Köpfe, die Herzen, die Parlamente

Es kommt die Zeit, in der jemand sagt, es war ungerecht, wir müssen das Unrecht korrigieren.
Und viele werden zustimmen.
Und viele werden kämpfen wollen.
Und viele werden rufen, nein, lasst das. Aber das sind nie genug. Denn die anderen schießen.
Und wenn sie schießen, ist es zu spät.

Die Zeit kommt.

Am Morgen drehen die Sonnenblumen auf den schier endlosen Feldern ihre Blüten nach Osten der Sonne entgegen
Um am Abend die Köpfe nach Westen zu neigen

Doch dann ist es zu spät
Erneut