frühlingstag

an einem regnerischen freitag im frühling
stelltest du fest, dass
du nirgendwo hin willst wo du nicht schon warst und warst doch schon so oft dort gewesen ohne dort hin zu wollen storchenjunges ohne anbindung gehst im frühling über hinterhöfe wenn aus grau grün wird weil asiaten die zäune streichen in der stadt ohne drogen ist lösungsmittel auch keine alternative schaust den blättern beim wachsen zu und das wird auch erst grün bevor es grau wird

In diesem Jahr geht das besonders schnell, sagt Zhanna, weil der Winter so lang war.

zeitenwende in den höfen (jahreszeit nicht mehr) längst nicht mehr zur deportation gedacht suchst du den seehund vergeblich zieht er seine kreise im seegebiet östlich fehmarn einzig eine möwe kreist von zeit zu zeit ums haus und sitzt auf blechdächern unter denen die tauben nisten weit weg vom meer ein spatz macht keine freude nur dreck

Der Regen hatte aufgehört. Zhana sagt, zwei mal im Jahr Fensterputzen sei mehr als genug, Augenbrauenzupfeneinmaldiewocheklar. Am Fenster droht der Spatz dem Spiegelbild. Krähen in der Luft. Die Möwe. Längst verschwunden. Weit fort.

Der Frühling ist da, endlich, sagt Zhana. Immer wieder. Jeder sagt das, in diesem Frühjahr, in Moskau, wo alle gebannt warten, wie es weitergeht, und so lange so tun, als wäre gar nichts geschehen im Winter, als 100.000 auf der Straße waren ohne zu frieren, denn auf einmal war es warm. Nun Putin sechs Jahre, zwölf vielleicht. Nichts ist vergessen. Alles am Ende verziehen. Unmoralisches Land.

Mitte April. Lenins Geburtstag. Dann erster Mai. Später der Fünfte. Dann noch der Neunte. Ikonen der Sowjetunion. Monolithisch. Zwei Leninorden. Einen der Oktoberrevolution. Proletarier aller Länder. Vereinigt euch. Immer noch über dem Titel. Die Wahrheit wird hundert. Vier Seiten. Die letzte das Fernsehprogramm. Leninvasen. Marx-Engels-Werke. Lenin auch. Ungebrochen. Für die Gerechtigkeit. Im Klassenkampf. Was ist Wahrheit. Nach 84 Jahren Lüge, einzig belastbar. Konstante.
Stalin. Eher klein. Nicht tot zu kriegen.

Endlich Frühling, sagt auch Jane(!), Kellnerin, noch jung, schnell gealtert. Jane mag nicht, wenn man ihren Namen falsch ausspricht. Evgenija. Jane. Unter kahlen Bäumen erzählt sie, dass sie die vollen Straßen mag, sechs, acht Spuren der Autobahnen. Mitten in der Stadt. Stadt ohne Schnee. Endlich im Mai. Viel geräumt die letzten Wochen. Immer wieder. Zentralasiaten. Dann nachts wieder Schnee, Frost. Eisschollen auf der Spree heisst hier Moskwa. Es sind die letzten. Im Fernsehen Bilder von Eisanglern allein auf Schollen, irgendwo im Osten oder Norden. Hier nur Müll, der langsam freitaut und im Fluß versinkt: Autoreifen, Flaschen, Plastiktüten.
Ein letztes Bier. Schneller. Sperrstunde um Mitternacht. Die Autos machen keinen Feierabend. Sprechen Sie kein Englisch! In Russland. Russisch! Es wird schnell bizarr an russischen Theken, schön ist es selten.

Endlich Frühling, sagt Jane beim Herausgehen. Sie Jane zu nennen, bereitet mir Probleme. Die Veteranen tragen wieder ihre Leninorden, längst mit Schrauben durchbohrt die braunen Sackos. Einmal verliehen, für immer festgeschraubt.

gefiltert noch der lärm der großen straßen wachsen blätter an den sträuchern hier schneller als in berlin

Auf einmal wird es still auf der großen Straße. Einsam fährt ein Polizeiauto in Richtung Kreml. Dann tritt erneut Ruhe ein. Bis Putinkommt12AutosmitSirenenBlaulicht150km/h und schon ist der Spuk vorbei und der Lärm kommt zurück.

Endlich Frühling, denke ich, warum eigentlich? Unverliebt. Die Stadt frisst die Liebe. Und wenn nicht die Stadt, dann der allgegenwärtige völkische Rassismus.

In der Nacht an der Moskwa, singt auch im Frühling keine Lerche.